Über die jüdische Gemeinde Battenberg

In unserer Region (=0beres Edertal) hat es bis um 1500 keine Juden gegeben. Nur in größeren Städten der Umgebung ( so Marburg, Kassel ) lebten im späten Mittelalter schon Juden. Nach der großen Pest mit den Judenprogromen 1350 siedelten sich Juden in ländlichen Gebieten an, so auch im Oberen Edertal ( dauerhaft nur in Battenberg, Battenfeld, Allendorf, Berghofen, Oberasphe und Rennertehausen ). (1)


Stadtplan Battenberg/Eder, aus: Historischer Führer durch die Battenberger Oberstadt (Hg. Geschichtsverein Battenberg)

Speziell in Battenberg sind bei Arnsberg (2) folgende Zahlen für jüdische Einwohner nachweisbar:
1742: 8 Juden, 1830 und 1845: 64 Juden, 1861: 78 Juden, 1895: 45 Juden, 1933: 33 Juden.

Das Battenberger Bürgermeisteramt hat für die Jahre 1838 - 1871 74 Geburten in jüdischen Familien registriert. Es erscheinen die Familiennamen Berg, Drucker, Flörsheim, Freundenthal, Illfeld, Katz, Katten, Langsdorf, Löwenstein, Nagel, Neubürger, Oppenheimer, Reiß, Sundheim und Wallach.
Die jüdischen Einwohner hatten fast alle das volle Bürgerrecht. Als ausgeübte Berufe werden genannt: Schuhmachermeister (s. Eckstein, Schuhhaus Eckstein, Hauptstraße 27, heute: Uhren-Wacker), Schreinermeister, Handelsmann, Kaufmann (s. Drucker, Neubürger), Metzger, Acciswächter (=Zollangestellter) und Lehrer.

Im Einwohnerbuch der Kreise Wittgenstein und Biedenkopf (Battenberg gehörte damals noch zum Kreis Biedenkopf) aus den Jahren 1928/29 sind für Battenberg verzeichnet:
Hermann Drucker, Kaufmann, Inhaber einer Manufactur- und Kolonialwarenhandlung, Hauptstraße 43
Berthold Eckstein, Schuhgeschäft und Getreidehandlung, Hauptstraße 27 Salomon Illfeld, Hausierer, Wassertor 6
Selma Löwenstein (ohne Beruf, Tochter des Kaufmanns und Viehhändlers Herz Löwenstein ), Hauptstraße 28
Louis Neubürger, Manufaktur- und Kolonialwarenhandlung, Hauptstraße 2 (heute: Edeka aktivmarkt)
Markus Oppenheimer, Viehhandlung und Manufacturwarengeschäft, Marburger Straße 33
Leopold Stern, Viehhandlung und Manufacturwarengeschäft, Marburger Str. l Sigmund Stern, Viehhandlung, Hauptstraße 54.

"Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war Louis Neubürger 23 Jahre alt. Er meldete sich mit einigen Freunden freiwillig an die Front. Sie ... waren Mitglieder des 24.Jägerbataillons im 3. Corps. Man kannte sie als die 'Battenberger vom Edertal', sie waren stolz darauf und bekannt für ihre Kameradschaft, ihren Wagemut und ihre Furchtlosigkeit."(3) Bereits als Jugendlicher ist Louis N. in vielen Vereinen aktiv. Auch bei der Gründung des TSV Battenberg 1912 ist er dabei. Im Ort ist er allseits bekannt und beliebt, dank seiner Kontakte in Kriegerverein, Feuerwehr, Schützenverein, Skatclub usw.(4)

Im 1. Weltkrieg (1914-1918) sterben die jüdischen Mitbürger Adolf Stern (geb.1887) und Albert Illfeld (geb.1885).(5) - Das Denkmal der Gefallenen des 1. Weltkrieges auf dem Friedhof zu Battenberg nennt auch ihre Namen.(6)

Nach Hitlers Machtergreifung 1933 beginnen die Repressionen gegen politische Gegner, ebenso Juden, Sinti und Roma. Sie werden zunächst verdeckt diskriminiert. Alte Freundschaften gehen in die Brüche. (In W. Neuburgers Erinnerungen finden sich mehrere typische Beispiele.) Die Battenberger Bürger werden von der Nazi-Propaganda aufgehetzt, Andersdenkende und Andersgläubige, mit denen sie bisher friedlich zusammengelebt hatten, zu meiden, auszugrenzen und zu denunzieren. Es kommt bald zu offenen Aktionen gegen jüdische Geschäfte. Hitlerjungen singen antisemitische Schmählieder und werfen Steine in Fensterscheiben ihrer jüdischen Mitbürger. Zwischen 1933 und 1937 sind fünf jüdische Einwohner verstorben; zuletzt Luis Neubürger, der wie seine jüdischen Brüder auf dem Judenfriedhof in Battenfeld bestattet wird. Alle anderen hielten es wie die Familie Drucker: Sie verließen Battenberg und zogen in eine größere Gemeinde im Reich oder emigrierten.(7) Allein die Familie Stern blieb im Hause Hauptstraße 54 zurück. Das gilt auch für Gustav Isenberg, ihren Schwiegersohn.

Die Verschleppung der jüdischen Bevölkerung aus unserer Region in Ghettos und KZ im Osten Europas vollzog sich in drei großen Deportationen aus dem Regierungsbezirk Kassel, die unter dem Vorwand der Umsiedlung von der Gestapo Kassel koordiniert und vom Kasseler Hauptbahnhof durchgeführt wurden:
Die erste und größte Deportation erfolgte vom 9.-12.12.1941 in das Ghetto Riga.(8) - Unter den insgesamt 1034 Deportierten befanden sich 31 aus dem Kreis Frankenberg, davon 6 aus Battenberg, 5 aus Battenfeld, 7 aus Oberasphe, 4 aus Altenlotheim, 4 aus Gemünden, 4 aus Röddenau.(9)

Die meisten Juden (nämlich über 900) wurden entweder schon in Riga 1942 umgebracht oder nach Auflösung des Ghettos 1943 in den KZ Stutthoff und Auschwitz ermordet. Bisher ist nur von etwa 100 Überlebenden die Rede. Weitere Deportationen erfolgten Anfang Juni und September 1942. Die verschleppten Juden erlitten das gleiche Schicksal in den Vernichtungslagern Sobibor und Majdanek bzw. im Ghetto Theresienstadt.(10)

  1. Ausstellung Battenberg 2011: Überblick der jüdischen Geschichte unserer Region ( mit Übersichtskarte der Orte unserer Region mit Abgrenzung nach jüdischer Besiedlung ) - 750 Jahre Battenberg 1984 > zurück z.Text (1)

  2. aus: Chronik Battenberg, S. 129 ( zitiert nach: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Frankfurt/M. 1971 )
    Auch die folgenden Angaben aus Chronik-Battenberg, S. 130 > zurück z.Text (2)

  3. W.Neuburger, Auch dunkle Wolken ...,S.6 > zurück z.Text (3)

  4. Ausstellungstafel 'Familie-Neuburger' entnommen > zurück z.Text (4)

  5. Battenberg-Chronik, 129 > zurück z.Text (5)

  6. Battenberger Gesch. Bd.2, 131 und 132 > zurück z.Text (6)

  7. Battenberg-Chronik, 130 (auch das Folgende) > zurück z.Text (7)

  8. Zum Ghetto Riga: "Auf Omas Geburtstag ..."- Lager Riga -, 127f. u. 111ff. > zurück z.Text (8)

  9. Ausstellungstafel: Die Deportation der Juden aus unserer Region > zurück z.Text (9)

  10. Angaben aus: Ausstellungstafel: Die Deportation der Juden aus unserer Region. Sehr ausführlich befaßt sich Monica Kingreen mit der gewaltsamen Verschleppung der Juden aus den Dörfern und Städten der Altkreise Frankenberg und Waldeck 1941/42 in: "Auf Omas Geburtstag..." S. 46ff. > zurück z.Text (10)